Die Errichtung der Volksmacht in Paris

Die Errichtung der Volksmacht in Paris

Der Klassengegensatz zwischen Arbeiterklasse und Bourgeoisie

Der unversöhnliche Klassengegensatz zwischen der französischen Arbeiterklasse und der Bourgeoisie hatte bereits in den 1860er Jahren die Herrschaft Napoleons III. stark erschüttert. Napoleon III. versuchte die gesellschaftlichen Gegensätze im Inneren des Landes durch außenpolitische Erfolge – zuletzt durch den deutsch-französischen Krieg – zu überdecken. Die militärische Niederlage und der schmähliche Zusammenbruch seiner Herrschaft verschärften im September 1870 die Klassengegensätze in Frankreich außerordentlich, zumal die Bourgeoisie die Lasten des Krieges auf das werktätige Volk abzuwälzen suchte.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die Regierung der französischen Republik, die nach dem Sturz Napoleons III. Am 04. September 1870 eingesetzt wurde, nannte sich Regierung der nationalen Verteidigung.

In der Tat gab es für Frankreich nur eine wirksame Verteidigungsmöglichkeit: Das Volk zu bewaffnen und einen entschlossenen Kampf gegen die feindlichen Truppen führen! Aber die französische Regierung war eine Regierung der Bourgeoisie. Sie fürchtete das Volk mehr als die Eroberer. Deshalb arbeitete sie auf die rasche Kapitulation hin.

„Zu den Waffen, Bürger! Stellt Eure Bataillone auf!“ (Ausschnitt aus einem Plakat der Nationalgarde)
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Entscheidend für das Schicksal Frankreichs war die Verteidigung von Paris, das von deutschen Truppen eingeschlossen worden war. Paris zählte damals etwa 1,9 Millionen Einwohner, davon waren rund 550 000 Arbeiter oder Handwerksgesellen.

Das zur Verteidigung entschlossene Volk von Paris hatte die Regierung gezwungen, 200 neue Abteilungen der Nationalgarde aufzustellen. Bis dahin war die Nationalgarde eine Bürgerwehr der Besitzenden zur Unterdrückung der Arbeiterklasse gewesen. Die neuen Abteilungen bestanden jedoch vorwiegend aus Arbeitern und Handwerksgesellen. Sie waren zur entschlossenen Verteidigung von Paris bereit, aber auch zum Schutz der Volksinteressen gegen die Bourgeoisie.

Die französische Regierung schloss jedoch am 28. Januar 1871 einen Waffenstillstand mit Bismarck ab. Kampflos besetzten preußische Truppen einen großen Teil der Pariser Festungswerke. Die bürgerliche Regierung Frankreichs handelte als Regierung des nationalen Verrats, um alle Kraft gegen das Volk und insbesondere gegen die Arbeiterklasse konzentrieren zu können.

In aller Eile bereitete die Regierung Wahlen zu einer Nationalversammlung vor. Durch Verleumdung und Terror errang die Reaktion, vor allem in ländlichen Gebieten, einen Wahlsieg. Von den 750 Abgeordneten der Nationalversammlung waren etwa 450 Vertreter der Großbourgeoisie, Großgrundbesitzer, Großbauern und Geistliche.

Die Nationalversammlung tagte nicht in Paris, sondern in Versailles. Die reaktionären Abgeordneten fürchteten die Arbeiter von Paris, die im Klassenkampf erfahren waren und über Waffen verfügten.

Mit der Bildung der Regierung beauftragte die französische Nationalversammlung am 13. Februar 1871 Thiers.

Am 26. Februar 1971 wurde in Versailles der Vorfrieden mit Deutschland unterzeichnet. (Der endgültige Friedensvertrag wurde am 10. Mai 1871 in Frankfurt am Main mit den gleichen harten Bedingungen abgeschlossen.) Danach musste Frankreich Elsass-Lothringen abtreten, innerhalb von 3 Jahren 5 Milliarden Franken Kriegsentschädigung zahlen und bis zur Erstattung dieser Summe die militärische Besetzung der östlichen Teile Frankreichs erdulden. Die Nationalversammlung bestätigte diesen Raubfrieden.

Fast gleichzeitig beschloss die Regierung Thiers Maßnahmen, um die Kriegslasten auf das Volk abzuwälzen. So wurde unter anderem die sofortige Zahlung aller Mietrückstände verlangt. Viele Pariser Arbeiterfamilien gerieten dadurch in Elend und Obdachlosigkeit. Die Soldzahlungen an die Nationalgardisten wurden eingestellt. Ein Kriegsgericht verhängte gegen hervorragende Revolutionäre Todesurteile. Sechs fortschrittliche Pariser Zeitungen wurden verboten. Das Kommando über die Pariser Nationalgarde übertrug die Regierung reaktionären Offizieren.

Der 18. März 1871

Als Antwort auf die volksfeindlichen Maßnahmen der Nationalversammlung und der Regierung Thiers schuf sich die Nationalgarde in Paris ein Führungsorgan, das Zentralkomitee der Nationalgarde. Es bestand vorwiegend aus Arbeitern.

Die reaktionäre Regierung Thiers war bestrebt, die Nationalgarde von Paris zu entwaffnen. Sie wollte das Volk von Paris von der politischen und militärischen Macht ausschalten. Die Entwaffnung sollte mit dem Raub der Kanonen der Nationalgarde eingeleitet werden.

Im Morgengrauen des 18. März marschierte das Militär der reaktionären Regierung in langen Kolonnen durch die dunklen Straßen. Alle wichtigen Gebäude, Plätze und Brücken wurden besetzt. 25 000 Soldaten waren unterwegs; 6000 davon rückten zum Stadtteil Montmartre vor, wo in einem großen Park 250 Kanonen der Nationalgarde aufgestellt worden waren. Sie überwältigten die Wachen und brachten die Kanonen in ihren Besitz. Doch ehe die Kanonen abgefahren werden konnten, wurde der Anschlag entdeckt. Arbeiter und Arbeiterinnen eilten auf die Straße. An vielen Stellen ließen sich die Soldaten und Polizisten von den Arbeitern und Arbeiterinnen entwaffnen. Ein Teil der Soldaten verbrüderte sich mit den Nationalgardisten und schloss sich ihnen an. Der Montmartre blieb mit seinen Kanonen in den Händen der Nationalgarde.

Der Plan der Reaktion war gescheitert. Thiers befahl dem Militär, Paris sofort zu räumen. Er befürchtete, dass alle Soldaten zum Volk übergehen würden.

Die Nationalgarde besetzte inzwischen das Polizeipräsidium, die Ministerien, Bahnhöfe und Kasernen. Auf dem Stadthaus, dem Rathaus von Paris, wehte die rote Fahne der Arbeiterklasse. Das Zentralkomitee der Nationalgarde übernahm die Verwaltung der Stadt.

Zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit hatte die Arbeiterklasse die politische Herrschaft der Bourgeoisie gestürzt und die politische Macht erobert.

Die erste sozialistische Revolution der Weltgeschichte hatte begonnen.

Die Ausrufung der Kommune auf dem Pariser Rathausplatz am 28. März 1871 (Zeitgenössische Darstellung)
Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982

Die Proklamation der Kommune

Nach dem 18. März 1871 schrieb das Zentralkomitee Wahlen für die Pariser Stadtverwaltung, die Kommune aus. Die Volksmacht sollte sichtbar vom Vertrauen der Pariser Bevölkerung getragen werden.

Am 26. März 1971 wurden in den 20 Bezirken von Paris insgesamt 86 Stadträte gewählt, die den Rat der Kommune bildeten. In einer feierlichen Kundgebung übernahm der Rat der Kommune am 28. März 1871 die Regierungsgewalt.

100 000 Nationalgardisten und weit über 100 000 Bürger und Bürgerinnen von Paris waren zum Platz vor dem Stadthaus marschiert. Kanonenschüsse dröhnten zur Begrüßung der Kommune. Dann legte sich eine große Stille über den Platz. Das Zentralkomitee der Nationalgarde und die neu gewählten Mitglieder des Rates der Kommune erschienen auf der Tribüne. Ein Mitglied des Zentralkomitees erklärte, dass nunmehr der Rat der Kommune die Macht in Paris übernehme. Feierlich wurden die Namen der Ratsmitglieder bekanntgegeben. Beifall scholl ihnen entgegen, Trommeln wirbelten und Musikkapellen spielten. Die Menge stimmte die Marseillaise an. Dann klang es laut und feierlich über den Platz: „Im Namen des Volkes, die Kommune ist proklamiert!“ Und die 200 000 jubelten: „Es lebe die Kommune!“ Tränen der Freude und des Stolzes standen in vielen Augen. Es war für die Werktätigen (Erwerbstätigen) von Paris eine unvergessliche Stunde.

Entnommen aus dem Geschichtsbuch der DDR für die 8. Klasse, Stand 1982, bearbeitet von Petra Reichel

Original-Text aus dem Geschichtsbuch der DDR

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